ATAG ADVOKATEN AG - FOKUS
"Der Schweizer Fiskus erhebt auf bestimmten Kapitalerträgen wie Dividenden, Zinsen und Lotteriegewinnen eine Verrechnungssteuer von 35%. Für internationale Investoren stellt sich dabei eine zentrale Frage: Kann diese Steuer ganz oder teilweise zurückgefordert werden? Die Antwort hängt primär von der steuerlichen Ansässigkeit und der sogenannten Abkommensberechtigung ab."
Verrechnungssteuer – ein Instrument zur Sicherung der Besteuerung
Die Verrechnungssteuer wird direkt an der Quelle erhoben und dient in erster Linie der Sicherung der ordnungsgemässen Besteuerung und der Verhinderung von Steuerhinterziehung. Für in der Schweiz steuerpflichtige Personen stellt die Verrechnungssteuer in der Regel keine definitive Belastung dar: Sie wird entweder vollständig zurückerstattet oder mit der geschuldeten Einkommens- bzw. Gewinnsteuer verrechnet. Ausländische Investoren erhalten eine Rückerstattung nur unter bestimmten und oft komplexen Voraussetzungen, in der Regel auf Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen der Schweiz und ihrem Wohnsitz- oder Domizilstaat.
Pauschalbesteuerung und ihre internationale Bedeutung
In der Schweiz können ausländische Staatsangehörige ohne Erwerbstätigkeit unter bestimmten Bedingungen pauschal besteuert werden. Dabei erfolgt die Besteuerung nicht nach dem tatsächlichen Einkommen, sondern nach einer pauschalen Bemessungsgrundlage, beispielsweise den Lebenshaltungskosten. Dies wirft die Frage auf: Kann eine pauschalbesteuerte Person eine Rückerstattung der in der Schweiz erhobenen Verrechnungssteuer beanspruchen?
Die entscheidende Voraussetzung ist, dass die Person gemäss dem anwendbaren DBA als „ansässig“ gilt, selbst wenn sie nur pauschal besteuert wird. Artikel 4 des OECD-Musterabkommens definiert eine ansässige Person als jemanden, der in einem Vertragsstaat aufgrund seines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts steuerpflichtig ist. Damit gelten in der Regeln auch pauschalbesteuerte Personen als steuerlich ansässig im Sinne des DBA.
Rückforderung der Verrechnungssteuer
Die Rückforderung der Verrechnungssteuer ist sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen ein relevantes Thema, insbesondere dann, wenn es um die Optimierung der Steuerbelastung und die Vermeidung einer definitiven Steuerbelastung geht. Wer also Erträge aus der Schweiz vereinnahmt, sollte prüfen, ob und wie eine Rückerstattung der Verrechnungssteuer möglich ist. Grundsätzlich können sowohl juristische als auch natürliche Personen die Verrechnungssteuer zurückfordern. Bei juristischen Personen ist die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) zuständig, selbst wenn es sich um internationale Rückerstattungsanträge handelt. Für natürliche Personen erfolgt die Rückerstattung durch die kantonalen Steuerbehörden, meist im Rahmen der ordentlichen Veranlagung.
Das Verrechnungssteuergesetz (VStG, Art. 21 ff.) sieht mehrere Voraussetzungen vor, die erfüllt sein müssen, damit eine Rückerstattung gewährt wird:
Zurechnung der Erträge
Die Dividende oder der Zinsertrag muss dem Antragsteller steuerlich direkt zugerechnet werden können.
Ansässigkeit
Die Rückerstattung setzt voraus, dass der Antragsteller in der Schweiz steuerlich ansässig ist (Art. 22 VStG) oder bei internationalen Sachverhalten, dass die Ansässigkeit gemäss dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gegeben ist. Hierbei wird auf Art. 4 des OECD-Musterabkommens abgestellt.
Nutzungsberechtigung (Beneficial Ownership)
Der Antragsteller muss wirtschaftlich berechtigt sein, über die Erträge zu verfügen. Reine Durchlauf- oder Briefkastengesellschaften ohne wirtschaftliche Substanz erfüllen dieses Kriterium in der Regel nicht.
Keine Steuerumgehung
Es darf kein Missbrauch im Sinne von Art. 21 Abs. 2 VStG vorliegen. Die Steuerbehörden prüfen, ob eine Zwischenschaltung von Gesellschaften lediglich zur Erlangung von Steuervorteilen erfolgte („Treaty oder Rule Shopping“).
Auch auf internationaler Ebene, zum Beispiel bei der Rückforderung ausländischer Quellensteuern, gelten ähnliche Kriterien.
Die Antragsteller haben auch bestimmte formelle Vorgaben zu beachten:
Besondere Konstellationen: Stiftungen, Trusts, LLCs und S-Corps
In der Praxis stellen sich häufig Fragen bei komplexeren Strukturen wie Familienstiftungen, Trusts oder US-Gesellschaften (LLCs, S-Corps). Auch hier gilt: Entscheidend ist die wirtschaftliche Berechtigung sowie die Erfüllung der Substanzanforderungen. Die Behörden prüfen, ob die Struktur über eine eigene Organisation, Personal und Geschäftsleitung verfügt oder ob lediglich eine formelle Zwischenschaltung ohne wirtschaftliche Funktion vorliegt.
Fazit
Die Rückforderung der Verrechnungssteuer in der Schweiz bietet internationalen Investoren die Möglichkeit, die Nettorendite zu optimieren. Voraussetzung ist jedoch die klare Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich Ansässigkeit, wirtschaftlicher Berechtigung und Substanz. Die Schweiz verschärft zudem kontinuierlich die Prüfungsstandards, um Steuerabkommensmissbrauch zu verhindern.
Für internationale Investoren lohnt es sich daher, die Abkommensberechtigung sorgfältig prüfen zu lassen, bevor eine Investition in der Schweiz getätigt wird, da die Optimierung der Kapitalerträge entscheidend von der korrekten Umsetzung abhängt.
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